13/11/2020
(aktualisiert am: 24/05/24)
In diesem Artikel geht es um eins meiner Herzensthemen, weil ich sehr oft von Eltern angeschrieben werde, die davon betroffen sind: Ihr Kind ist zwei oder älter und spricht noch nicht oder nur wenige Wörter. Meistens ist es auch so, dass diese Eltern aus dem Umfeld Sprüche hören wie “Das ist doch normal bei bilingualen Kindern" oder “Mein Kind hat auch später angefangen zu sprechen”. Solche Sprüche sind zwar lieb gemeint, aber tun den Eltern am Ende keinen Gefallen.
Bist du in dieser Situation? Dann lies unbedingt diesen Artikel bis zum Ende, denn heute erkläre ich, welchen Einfluss die Mehrsprachigkeit auf den Spracherwerb wirklich haben kann und gebe dir vier Schritte an die Hand, die du sofort gehen kannst.
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Man hört öfter, dass Kinder, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen, später anfangen zu sprechen. Aber so ist es nicht. Jedes Kind hat sein eigenes Tempo und viele Faktoren spielen dabei eine Rolle, wie früh und wie schnell ein Kind sprechen lernt. Doch die Zwei- oder Mehrsprachigkeit an sich ist kein Hindernis für einen frühen Sprechbeginn.
Dieser Mythos kursiert immer noch und das große Risiko, das ich darin sehe, ist, dass dann von Kinderärzten z.B. gesagt wird, es sei normal und man müsse nur abwarten. Dadurch wird oft sehr kostbare Zeit verschenkt.
Grundsätzlich ist es laut Wissenschaftler*innen so, dass Kinder mit zwei Jahren etwa 50 Wörter aktiv können sollten. Aktiv heißt, dass sie diese Wörter nicht nur verstehen, sondern auch selbst produzieren können. Bei mehrsprachig aufwachsenden Kindern sind es 50 Wörter insgesamt, also alle Sprachen mitgerechnet.
Wenn dein Kind schon ca. zwei Jahre alt ist und noch nicht oder sehr wenig spricht dann würde ich dir empfehlen, mit deinem Kinderarzt oder einer andern Fachperson (z.B. einem Logopäden) darüber zu sprechen. Viele Kinder, die spät anfangen zu sprechen, holen schnell wieder auf und oft ist auch keine fachliche Unterstützung notwendig. Trotzdem lohnt es sich auf jeden Fall, Rat zu holen.
Lass auf keinen Fall eine Sprache weg. Denn: Auch wenn dein Kind noch nicht spricht, hat es schon eine gewisse Kompetenz erlangt. Wenn ihm eine Sprache weggenommen wird, dann wird ihm auch Kompetenz weggenommen, was wiederum den gesamten Spracherwerbsprozess negativ beeinflussen würde. Das hätte also den Gegen-Effekt.
Lass dich auf keinen Fall im Bezug auf die Mehrsprachigkeit verunsichern. Sie macht das Sprechen-Lernen für dein Kind nicht schwerer bzw. überfordert dein Kind nicht. Es ist wichtig, dass du Vertrauen in eurem Weg hast, denn Unsicherheiten spüren Kinder oft auch und das kann den Spracherwerbsprozess beeinflussen.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist heute nicht bewiesen, ob die klare Trennung der Sprachen durch die Bezugspersonen im Aufbau der Sprachkompetenz von Bedeutung ist. Jedoch gibt es einige Hinweise darauf, dass das das Einsteigen in die Sprache erleichtern könnte. Deswegen empfehle ich immer, gerade in den ersten Lebensjahren und gerade dann, wenn das Kind noch nicht spricht, obwohl es sollte, eine klare Struktur zu schaffen bzw. eine Strategie für die Kommunikation festzulegen. Das bedeutet zu überlegen, wann welche Sprache durch wen gesprochen wird (siehe dazu diesen Artikel: "Mehrsprachig erziehen: Wie? Welche Strategien gibt es?" ).
Und hier an der Stelle habe ich drei konkrete Tipps für dich:
Besonders wichtig ist natürlich, dass dein Kind so viel wie möglich mit Sprache in Berührung kommt. Gerade im Falle von Zwei- oder Mehrsprachigkeit ist die Quantität des Inputs in den ersten zwei Lebensjahren für den Aufbau des Wortschatzes besonders wichtig. Versuche also so viel wie möglich, Alltagssituationen durch Sprache zu begleiten. Tue dies vor allem dann, wenn du weißt, dass du die Aufmerksamkeit deines Kindes hast (u.a. durch Blickkontakt). Es geht nicht darum, dein Kind mit Sprache zu überschütten.
Sprechen fängt mit Kommunizieren an. Und Kommunizieren geht am Anfang über Gesten. Eine essenzielle Geste ist das Zeigen. Sei aufmerksam und gehe auf die Signale deines Kindes ein. Dadurch erlebt sich dein Kind als wirksam, was wiederum seine Motivation stärkt, sich auszudrücken oder eben sprechen zu lernen.
Ganz wichtig ist in dem Kontext, dass du auf die Interessen deines Kindes eingehst. Greife die Dinge auf, für die es sich besonders interessiert und biete in dem Kontext passende Wörter an.
Beispiel: Dein Kind interessiert sich gerade sehr für Fahrzeuge und speziell für Bagger. Dann fahre mit ihm oder mit ihr zu einer Baustelle, beobachtet gemeinsam, was dort passiert und beschreibe was ihr seht.
Du kennst dein Kind wahrscheinlich so gut, dass du immer sofort weißt, was es will, wenn es eine bestimmte Geste macht. Doch der letzte Tipp, den ich dir heute mitgeben möchte, ist folgender: Motiviere dein Kind, etwas zu sagen, wenn es etwas möchte - ohne Druck und Zwang natürlich.
Ein kleines Beispiel: Ihr sitzt am Tisch und dein Kind zeigt auf die Wasserflasche, um zu signalisieren, dass es Wasser möchte. Stelle zunächst Augenkontakt her und frage: „Was möchtest du haben? Möchtest du das Wasser?” Wenn es mit dem Kopf nickt, bestätige seine Antwort und wiederhole: „Ja, Wasser.”
Kontraproduktiv wäre in dem Fall, wenn du abfragen oder um Wiederholung bitten würdest. Heißt, du würdest dein Kind fragen:: “Sag, was ist das?” oder: “Sag Wasser - W-A-SS-ER”. Das solltest du nicht machen.
Lege viel lieber in bestimmten Situationen den Fokus auf die Verbindung zwischen Gegenstand und Wort (wie hier “Wasserflasche” und “Wasser”) und biete deinem Kind das passende Wort an.
Die oben genannten Tipps verstehen sich lediglich als Unterstützung beim Spracherwerb vor dem zweiten Geburtstag und reichen allein sicherlich nicht aus, wenn dein Kind wirklich Hilfe braucht.
Wenn dein zweijähriges Kind noch nicht spricht oder du einfach kein gutes Gefühl im Bezug auf die Sprachentwicklung deines Kindes hast, dann lege ich dir ans Herz, dir fachlichen Rat zu holen. Denn beim Spracherwerb gilt das Motto: Lieber früh als zu spät. Hol dir gerne zwei unterschiedliche Meinungen, wenn nötig aber mach auf jeden Fall mit der zwei- oder mehrsprachigen Erziehung weiter.
Auch ich unterstütze dich gerne dabei, euren Alltag so zu gestalten, dass ihr mit vollem Vertrauen und viel Freude euer Kind in die kompetente Mehrsprachigkeit begleiten könnt.
Nimm gerne Kontakt mit mir auf.
Quellen:
Siehe Anstatt, Tanja / Dieser, Elena: Sprachmischung und Sprachtrennung bei zweisprachigen Kindern (am Beispiel des russisch-deutschen Spracherwerbs), in: Anstatt, Tanja (Hrsg.): Mehrsprachigkeit bei Kindern und Erwachsenen. Erwerb. Formen. Förderung, Tübingen: Attempto 2007, S. 139-162: S. 142.
Sivakuma/Sette inArnaus Gil, Laia; Müller, Natascha (2019): Frühkindlicher Trilingualismus, Französisch, Spanisch, Deutsch, Tübingen: Narr Francke Attemptop Verlag: S. 70.
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Dr. Adeline Hurmaci
"Mehrsprachig erziehen ist eine Kunst; die Kunst, bei seinem Kind die innere Motivation für das Lernen seiner Sprachen zu pflegen."
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Mein Name ist Dr. Adeline Hurmaci, ich komme gebürtig aus Frankreich, bin promovierte Kulturwissenschaftlerin und Expertin für frühkindliche Mehrsprachigkeit. Zusammen mit meinem türkisch sprechenden Mann ziehen wir unsere zwei Söhne (8 und 2) dreisprachig auf.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Ich weiß auch, dass eine erfolgreiche und glückliche Mehrsprachigkeit keine Selbstverständlichkeit ist und „Arbeit” erfordert. Und gleichzeitig weiß ich, dass sie nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Familie werden dürfte, sondern sich leicht und bereichernd anfühlen sollte.
Deshalb habe ich Herzenssprachen im Jahr 2019 ins Leben gerufen. In den letzten fünf Jahren habe ich mit meiner Methode schon über 80 Familien auf ihrem Weg zur glücklichen Mehrsprachigkeit erfolgreich begleitet.
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