Am 05.09.24, by Dr. Adeline Hurmaci
Wenn du bereits ein Kind hast dann ertappst du dich vielleicht manchmal dabei, wie du es mit anderen Kindern vergleichst. Das passiert meist automatisch, ohne dass wir es wollen. Auch der vergleich zu älteren Geschwistern ist manchmal schwer zu vermeiden. Und so können Zweifel auftauchen und du denkst dir: „Mensch, mein Kind kann dies oder jenes noch nicht."
Klar, jedes Kind hat sein eigenes Entwicklungstempo. Alle Kinder legen nicht gleichzeitig den Fokus auf dieselben Entwicklungsbereiche. Gerade im ersten Lebensjahr sind markante Unterschiede festzustellen. Und es ist vollkommen in Ordnung so.
Nur bei der (Sprach)entwicklung gibt es sogenannte „Normbereiche" und „Meilensteine". Meilensteine sind Zeit-Indikatoren für das Beherrschen bestimmter Entwicklungskomponenten. Wenn der Meilenstein nicht erreicht wird, kann das auf Entwicklungsschwierigkeiten hindeuten.
In diesem Artikel erfährst du, wie du potenzielle Schwierigkeiten rechtzeitig erkennen kannst. Ich gebe dir ein paar wichtige Orientierungspunkte für die ersten zwei Lebensjahre, die für alle Kinder gelten; egal ob ein- oder mehrsprachig, und egal, mit welchen Sprachen sie aufwachsen.
Ich arbeite nicht gerne mit Entwicklungsphasen nach Alter (wie z.B.: „Zwischen dem 4. und dem 6. Monat lernt ein Kind dies" und „zwischen dem 6. und 9. Monat lernt es das"). Das verunsichert schnell Eltern ohne Grund. Viel lieber arbeite ich mit Meilensteinen. Meilensteine sind die einzigen wahren Indikatoren darüber, ob ein Kind sich sprachlich unauffällig entwickelt oder nicht.
Laut verschiedener Studien sind Jungs drei- bis viermal häufiger von einer Sprachentwicklungsschwierigkeit betroffen als Mädchen. Noch spannender finde ich ist, dass Sprachschwierigkeiten nicht so oft bei Erstgeborenen als bei jüngeren Geschwister-Kindern auftreten. Was eher kontraintuitiv ist, weil man davon ausgehen könnte, dass das jüngere Kind von den Interaktionen mit dem älteren Geschwisterkind oder allgemein von mehr Action im Alltag profitiert. Doch es ist eher das Gegenteil. Eine Schwierigkeit kann u.a. daran liegen, dass dem Kind weniger Aufmerksamkeit und dadurch weniger 1-1-Interaktionen gewidmet werden können, die für den Spracherwerb in den ersten Lebensjahren ganz essenziell sind.
Auch Zwillingskinder tendieren mehr zu Sprachentwicklungsschwierigkeiten. Mehr dazu gibt es bald in einem anderen Artikel.
Der allererste wichtige Indikator, was an sich kein Meilenstein ist aber extrem wichtig ist, ist, ob dein Kind in den ersten Lebensmonaten anfängt, auf Geräusche zu reagieren. Eine gute Möglichkeit das herauszufinden ist zu testen, ob es seinen Kopf in die Richtung dreht, wo ein bestimmtes Geräusch herkommt.
Im Laufe des ersten halben Lebensjahres beginnen Babys, gezielt mit Lauten zu spielen. Das sogenannte „Brabbeln" tritt auf, bei dem sie Silben wie „ba-ba" oder „da-da" wiederholen. Und so sind wir schon beim ersten wichtigen Meilenstein:
Mit ca. 6 Monaten sollte dein Kind Lallketten bilden. Lallketten sind Reihen von Silben wie „babababa”.
Der nächste wichtige Meilenstein ist der sogenannte „triangulierende Blick”. Der triangulierende Blick ist die Fähigkeit deines Babys, seine Aufmerksamkeit gleichzeitig auf zwei Sachen (z.B. eine Person und einen Gegenstand) zu legen. Diese Fähigkeit sollte am Ende des 1. Lebensjahres erworben sein.
Kommen wir jetzt zu den Meilensteinen im zweiten Lebensjahr.
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Ab einem Alter von einem Jahr ist der wichtigste Indikator für eine unauffällige Sprachentwicklung die Anzahl der Wörter, die dein Kind produzieren kann. Als Richtwert gilt:
Mit ca. 12 Monaten sollte dein Kind mindestens 1 Wort produzieren.
Vielleicht fragst du dich: Was gilt überhaupt als Wort? Als Wort zählt ein Laut oder eine Lautkombination, wenn es eine konsistente Bedeutung für das Kind hat und in einem bestimmten Kontext verwendet wird. Das bedeutet, dass das Kind den Laut oder das Lautmuster wiederholt verwendet, um immer dasselbe Objekt, dieselbe Person, oder dieselbe Handlung zu bezeichnen. Beispiel: Wenn dein Kind „Wau-Wau" sagt, um einen Hund zu bezeichnen, gilt das als Wort, auch wenn es nicht das korrekte Wort für Hund ist.
Mit 18 Monaten sollte dein Kind mindestens 10 aktive Wörter können. Hier ganz wichtig: Alle Sprachen mitgerechnet! Wenn dein Kind dasselbe Wort in zwei unterschiedlichen Sprachen beherrscht, dann zählt das als zwei Wörter.
In der zweiten Hälfte des zweiten Lebensjahres (ca. zwischen dem 15. und 18. Monat) findet die „Wortschatzexplosion" statt. In dieser Zeit erweitern Kinder ihren Wortschatz sehr schnell und können täglich neue Wörter lernen.
Hier passiert bei mehrsprachigen Kindern oft ein Switch: Die dominante Sprache fängt an, stark zu dominieren. Deshalb ist es sehr wichtig, von Anfang an ganz bewusst mit den Sprachen umzugehen. Dazu mehr in anderen Artikeln von mir.
Neben dem Wortschatz-Aufbau beginnen Kinder in dieser Phase auch, erste Zwei-Wort-Sätze zu bilden wie „Mama Ball" oder „Papa spielen".
So sind wir beim letzten und wichtigsten Meilenstein:
Mit 24 Monaten sollte dein Kind mindestens 50 Wörter aktiv können (auch hier natürlich alle Sprachen mitgerechnet) und beginnen, Zwei-Wort-Sätze zu bilden.
Kleiner Tipp: Ich empfehle dir eine Liste zu führen, so wie wir es bei unseren beiden Kindern gemacht haben. Wir haben ein Zettel an den Kühlschrank aufgehangen und die Wörter nach und nach aufgeschrieben, die von den Kindern neu und mehrmals produziert wurden. Mit unserem zweiten Kind hat es besonders viel Spaß gemacht, denn der Große wollte die Wörter immer selbst aufschreiben. Das war jedes Mal ein schönes Erlebnis für die ganze Familie, wenn ein neues Wort dazu kam.
Spricht ein Kind mit zwei Jahren noch nicht oder nur wenige einzelne Wörter, spricht man von einem „Late Talker". Da würde ich auf jeden Fall empfohlen, mit einer Fachperson wie dem Kinderarzt oder einer logopädischen Fachkraft zu sprechen. Zum Thema „Late Talker"kannst du diesen Artikel auf meinem Blog lesen).
Mehrsprachig aufwachsende Kinder im Alter von 2 Jahren mischen ihre Sprachen. Das ist völlig normal! Wichtig ist aber, dass ihr als Eltern eine gewisse Strategie für die Anwendung der Sprachen habt, damit das Mischen nicht zu intensiv wird und euer Kind in seiner Kommunikation mit anderen Menschen nicht zu lange zu stark beeinträchtigt wird. Du findest mehr Infos in diesen beiden Artikeln zum Thema Code Mixing und zur Wahl der Kommunikationsstrategie.
Als Eltern solltet ihr niemals mit einem komischen Gefühl allein bleiben. Deshalb sage ich immer: Lieber ein Mal mehr mit dem Kinderarzt sprechen, als vielleicht zu spät reagieren. Und wenn der Arzt etwas sagt, was nicht deinem Gefühl entspricht und du dich nach wie vor unsicher bist, dann kannst du dich noch eine zweite Meinung - von einer anderen Fachperson - holen.
Bitte hör immer auf dein Gefühl und sei vorsichtig mit gut gemeinten Ratschlägen à la „Mein Kind hat auch erst mit drei angefangen zu reden” oder: „Bei bilingualen Kindern ist es normal, dass sie später sprechen”. Auch Kinderärzte raten oft einfach abzuwarten, doch dabei vergeht manchmal zu viel Zeit. Bedenke, dass es meistens sehr lange dauert, bis man nach der Feststellung einer Schwierigkeit beim Spracherwerb einen Therapie bzw. Förderungs-Platz bei einem Logopäden bekommt.
Auch wenn jedes Kind sein eigenes Tempo in der Entwicklung hat, gibt es wichtige Meilensteine zu beachten.
Wenn ein Meilenstein von deinem Kind nicht erreicht wird, heißt das nicht automatisch, dass es große Schwierigkeiten hat, die es nicht überwinden kann. Es kann sein, dass dein Kind einfach nur eine besondere Förderung braucht, um den Verzug aufzuholen.
An der Stelle noch ein letzter wichtiger Hinweis: Eine Sprachentwicklungsschwierigkeit ist noch lange keine Sprachentwicklungsstörung. Manche Kinder schaffen es, ihre Probleme dank einer passenden Förderung in der Sprachentwicklung loszuwerden. Wenn sich jedoch Schwierigkeiten im Spracherwerb über einen gewissen Zeitraum halten und nicht mit einer „biomedizinischen Ursache” verbunden sind, wie z.B. eine Behinderung oder eine Hörstörung, dann wird von einer Sprachentwicklungsstörung gesprochen. Mehr zu diesem Thema findest du in diesem Aritkel.
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Dr. Adeline Hurmaci
"Mehrsprachig erziehen ist eine Kunst; die Kunst, bei seinem Kind die innere Motivation für das Lernen seiner Sprachen zu pflegen."
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Mein Name ist Dr. Adeline Hurmaci, ich komme gebürtig aus Frankreich, bin promovierte Kulturwissenschaftlerin und Expertin für frühkindliche Mehrsprachigkeit. Zusammen mit meinem türkisch sprechenden Mann ziehen wir unsere zwei Söhne (8 und 2) dreisprachig auf.
Ich weiß, wie es sich anfühlt, in der Öffentlichkeit eine andere Sprache mit seinem Kind zu sprechen; ich weiß, wie es sich anfühlt, mit mehreren Sprachen im Familienalltag zu jonglieren; und ich weiß, welche Sorgen euch als Eltern begleiten.
Ich weiß auch, dass eine erfolgreiche und glückliche Mehrsprachigkeit keine Selbstverständlichkeit ist und „Arbeit” erfordert. Und gleichzeitig weiß ich, dass sie nicht zu einer zusätzlichen Belastung für die Familie werden dürfte, sondern sich leicht und bereichernd anfühlen sollte.
Deshalb habe ich Herzenssprachen im Jahr 2019 ins Leben gerufen. In den letzten fünf Jahren habe ich mit meiner Methode schon über 80 Familien auf ihrem Weg zur glücklichen Mehrsprachigkeit erfolgreich begleitet.
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